Erzähl doch keine Märchen

Erzähl doch keine Märchen – ein voller Erfolg!

Ich Danke dem Medienhaus Kastner, Herrn Kastner und Frau Stein herzlich für die Unterstützung. Mein drittes Buch läuft sehr gut an und ist zwischenzeitig auch über die online Plattformen zu ordern. Natürlich auch über die Buchhandlung Nagel. Der Reinerlös geht wieder in soziale und kulturelle Projekte. Danke an meine treue Leserschaft.

Eine kleine Kostprobe:

Die kleine Wolke

Es war einmal eine kleine Wolke. Wie sie auf die Welt gekommen war, wenn Wolken überhaupt zur Welt kommen, wusste sie nicht. Es war ihr aber auch einerlei. Sie dachte nicht nach über das Werden und Vergehen. Wie sollte sie auch. Sie war doch noch so jung und so klein. Was sollte sie da schon groß über das grübeln, worüber sich schon ganze Philosophengenerationen ihre Schädel zermarterten. Und wenn wir ehrlich sind, ist die ganze Philosophiererei bislang ohne wirklich zielführende Erkenntnisse, darüber geblieben, was jenseits der Grenzen unseres Verstandes die Räder des Schicksals bewegt das Leben heißt, oder?

So zog das Wölkchen sorglos durch den blauen Himmel, der ihr Bruder war und drehte sich adrett, um sich im Spiegel des Meeres zu betrachten.

„Ach, wie bin ich hübsch.“ sang die Wolke vor sich hin und ließ sich vom Wind zu abenteuerlichen Pirouetten und Figuren verleiten. Es machte Spaß, sein Aussehen im Flug zu verändern.

„Du solltest dich nicht zu weit von uns entfernen.“ riefen ihr ihre älteren Schwestern zu und versuchten nach ihr zu greifen.

„Fangt mich doch! Ihr kriegt mich nicht!“ juchzte das Wölkchen vergnügt und entzog sich den bergenden Armen ihrer Familie.

Die Sonne verfolgte das Spiel und fast hätte man meinen können, ihre roten Lippen würden ein tiefsinniges Lächeln formen.

„Gib Acht, meine Hübsche. Übermut ist schon vielen zum Verhängnis geworden.“ säuselte der Wind weise.

Das Wölkchen gab nichts darauf und tollte weiter. Die ganze Nacht war sie unternehmungslustig herumgeflogen, hatte sich zum ersten Mal mit den Sternen unterhalten, die lange und weise Geschichten zu erzählen wussten. Dann war sie müde geworden. Sie träumte und sank langsam zu Boden. Die Wolke musste lachen. Sie konnte nicht an sich halten und… erwachte.

„Wer kitzelt meinen Bauch?“ prustete sie.

„Aufhören! Das halte ich nicht aus!“

„Ich kann nichts dafür.“ grummelte die Blumenwiese.

„Du hast dich im Schlaf auf mich gelegt. Meine Kinder spielen mit deinem Bauch.“

„Mach, dass sie aufhören!“ kicherte das Wölkchen.

„Sonst muss ich Pipi.“

Aber da war es schon geschehen. Feine Tröpfchen lösten sich aus dem Kleid der Wolke und netzten die bunten Blumen und grünen Halme. Da wurde ihr leichter und der Wind hob sie sanft in die Höhe und schaukelte sie behutsam.

„Hihi… sogar mein Pipi ist hübsch,“ lächelte die Wolke selbstverliebt als sie sah, wie die Sonne die Tautropfen in glitzernde Diamanten verwandelte.

„Warum ist mir so schummrig?“ dachte die Wolke und sie erschrak, als sie im Spiegel eines Sees sah wie sehr sie abgemagert war.

„Mhh… du hast viel Wasser verloren,“ säuselte ihr Freund, der Wind und blies sie scherzend über das warme Meer.

Gierig sog die Wolke die Feuchte in sich, die die Hitze dem Ozean entlockte.

„Ahhh, das tut gut.“ grunzte das Wölkchen, schmatzte genüsslich ob des köstlichen Labsals.

Merk es dir gut, meine Liebe, flüsterte der Wind.

„Präg es dir ein, wie und wo du zu Kräften kommst.“

„Da bist du ja Schwester!“ riefen ihr die anderen Wolken zu und umringten sie fröhlich.

„Komm mit uns, wir haben dir noch viel zu zeigen!“

Die neugierige Wolke ließ sich nicht zweimal bitten und so flogen sie von ihrem Freund getragen in ferne Länder. Plötzlich wurden sie wild durcheinander geschüttelt und purzelten trunken durcheinander.

„Hey!“ rief die Älteste von ihnen. „Was soll das, Wind?“

„Entschuldige bitte, mein Vetter Orkan ist etwas ungestüm. Er will mit euch spielen. Ich werde es nicht verhindern können, denn er ist stärker als ich. Aber habt keine Angst. Er tut euch nichts zu leide. Ich habe ihn gebeten euch dorthin zu bringen wohin mein Atem nicht reicht. Ich warte hier auf euch.“

Und ehe sie es sich versahen sausten und purzelten sie gen Süden und erreichten den großen, grünen Dschungel, aus dem ihnen feuchte, heiße und geheimnisvoll unbekannte Düfte entgegen schlugen, an denen sie sich schier nicht satt riechen konnten.

Und ganz plötzlich… ganz plötzlich waren sie allein. Standen wie angewurzelt über der endlosen grünen Weite.

„Wo bist du, Orkan? Du kannst uns hier nicht alleine lassen?“ riefen sie erst aufgeregt, dann ängstlich.

Die Sonne brannte erbarmungslos auf ihre weißen Gewänder und der Boden war so warm, dass er ihre Bäuche verbrannte, die sich schon bald unheilschwanger grün-grau verfärbten.

„Mir ist heiß!“ stöhnte eine von ihnen.

„Uns ist furchtbar übel!“ tönte es im Gleichklang und als ob sie einem Kommando gefolgt wären übergaben sie sich alle gleichzeitig und überschütteten den Dschungel mit grüngelber Flüssigkeit, die dieser gierig und zu ihrer aller Erstaunen dankbar aufsog.

Der Boden kühlte merklich ab und nachdem sie ihre aufgedunsenen Leiber entleert hatten, fühlten sie sich erleichtert. Und in der Tat, sie waren leichter. Sie merkten, wie sie sich ganz allmählich erhoben. Immer schneller ging es aufwärts und schon bald lag der riesige Dschungel wie ein smaragdgrünes Auge unter ihnen.

„Da seid ihr ja.“ wurden sie von ihrem Freund dem Wind begrüßt.

„Entschuldigt, Vetter Orkan ist ein rauer und unzuverlässiger Geselle aber ich hoffe, er hat euch das gezeigt, was wir die Wiege des Lebens nennen.

„Hat er!“ seufzte eine von ihnen verschämt.

„Was habt ihr?“ fragte der Wind. „Warum so…?

„Ach weißt du, es ist uns unangenehm aber wir… wir haben auf die Wiege des Lebens ge… spuckt.“

„Ihr habt was?“ fragte der Wind amüsiert.

„Wir haben der Wiege des Lebens voll auf ihr grünes Kleid gereiert.“ flüsterte das Wölkchen schüchtern.

„Und… uns war so übel. Es tut uns leid.“

Da lachte der Wind und schlug sich vor Vergnügen auf die Schenkel, die er natürlich nicht hatte.

„Macht euch nichts draus. Es ist eure Aufgabe.“

„Häää, es ist unser Job die Wiege des Lebens anzukotzen?“ fragte das Wölkchen zurück.

„Wenn du so willst…“ pfiff der Wind. „Es ist der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen. Nur euer warmer Regen sorgt dafür, dass der Dschungel wächst und uns allen die Luft zum Atmen schenkt, ohne die wir nicht leben und ich nicht existieren könnte.“

 Da schwiegen sie stumm und ehrfurchtsvoll und ließen sich von ihrem Freund aufs Meer hinaustragen um sich neuerlich zu stärken. Sie hatten auf dieser Reise viel Gewicht verloren. Das Wölkchen leckte sich über die Lippen und strich über ihren prall gefüllten Leib.

Abenteuerlustig rief sie nach dem Wind und bat ihn, ihr Neues zu zeigen.

„Du solltest besser bei deinen Geschwistern bleiben. Gemeinsam seid ihr stark. Allein… allein ist es zu dieser Zeit gefährlich.“

„Oh bitte, bitte!“ schmollte das Wölkchen. „Ich bin so jung und will die Welt sehen. Hilf mir doch dabei!“

„Na gut.“ meinte der Wind. „Du siehst kräftig genug aus um das Abenteuer zu bestehen, das ihr alle einmal meistern müsst. Aber sei auf der Hut, es ist gefährlich und kann dich das Leben kosten, wenn du nicht auf mich hörst.“

„Und wenn schon? Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.“ gab das Wölkchen aufgeregt zurück.

So hob sich die Wolke auf den Rücken ihres Freundes und flog neuen Abenteuern entgegen.

„Bleib! Bleib bei uns!“ riefen ihre Schwestern aufgeregt und versuchten verzweifelt, sie festzuhalten.

 Sie Sonne leckte sich hungrig ihre roten Lippen und belächelte das Schauspiel eigentümlich versonnen. Der Wind trug das Wölkchen immer höher und höher. Die kleine Wolke war dankbar für die wohltuende Wärme, die ihr die Sonne spendete denn je höher sie kamen desto kälter wurde es. Sie merkte, wie sie zunehmend an Gewicht verlor. Sie wusste, dass sie die Sonne bezahlen musste, damit diese sie wärmte. Der Preis war die Feuchtigkeit, die sie ihr als Tribut abzugeben hatte. Das war der Pakt, den die Familie der Wolken mit der Sonne vor unvordenklicher Zeit eingegangen war und der noch viel Geheimes barg was unser Wölkchen noch nicht kannte.

„Hier oben, keuchte der Wind, siehst du die ganze Welt. Aber es ist furchtbar anstrengend und gefährlich. Wir müssen bald umkehren. Meine Kraft lässt von Sekunde zu Sekunde nach.“

„Mhh… nur noch ein wenig. Nur noch ein wenig höher bis dorthin… Es ist so schön hier.“

Das Wölkchen zeigte aufgeregt auf einen weißhäuptigen Berg, der alle anderen mächtig wie einen Herrscher überragte.

„Das, sagte der Wind, das ist das Dach der Welt. Der König der Berge. Da wollen alle hin.

„Ich auch! Ich auch!“ bettelte das Wölkchen fröstelnd und abgezehrt.

Schnell hatten sie das weiße Haupt des Riesen erreicht, als sie plötzlich grob von den Schultern ihres Freundes gerissen wurde.

„Wer wagt es die Ruhe meines Gebieters zu stören?“ fauchte der furchterregende Blizzard und schlug dem Wind krachend ins Gesicht, der ohnmächtig zusammenbrach.

„Dich werde ich lehren!“ brüllte der Blizzard der Wolke ins Gesicht und verdunkelte mit seinem grauen Umhang die Sonne, deren letzter Strahl die Welt unter der Wolke in ein kobaltblaues unirdenes Licht tauchte.

Dann hob sie der Blizzard rasend vor Wut nach oben, dorthin wo es bitterkalt ist. Das Wölkchen fror erbärmlich und erstarrte vor Schmerzen. Mit einem hämischen Grinsen pustete ihr der Blizzard gegen den Körper, der zu Eis erstarrte. Dann schleuderte der grausame Wächter des ewigen Eises das regungslose Wölkchen gegen den grauen, kalten Fels. Mit einem lautlosen Seufzer zerbarst die Wolke in Abermillionen feine Kristalle, die glitzernd auf den weißen Rücken des Berges herab rieselten. Da lag sie nun, die kleine neugierige Wolke und verlor in der eisigen Ewigkeit zunehmend ihr Gedächtnis.

 „Hey, Schlafmütze! Aufgewacht! Lang genug geträumt.“

Behutsam nahm Mutter Sonne die glitzernden Kristalle in ihre wärmenden Arme. Das Schmelzwasser purzelte fröhlich an der Seite des alten Riesen zum Meer und hüpfte befreit in das blaue Nass. Träge dümpelte das Schmelzwasser gen Süden wo die Kraft der Sonne es so lange erwärmte bis es sich neugierig von der Oberfläche erhob.

Gevatter Wind hob das Neugeborene behutsam aus dem Meer.

„Willkommen zurück, Tochter.“ flüsterte er der kleinen Wolke ins Ohr, drückte ihr einen sanften Kuss auf die Backe und entließ sie in ihr junges Leben voller Abenteuer.